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Blog einer Südfrankreich-Krimi-Autorin

In diesem Blog findet ihr Überlegungen und Betrachtungen rund um die Personen in den Südfrankreich-Krimis, um die Bewohner der Dörfer und Städte, in denen sie leben, und, vor allem, um Südfrankreich
 
 

Zehnter Tag

 
 

Das große Geheimnis des Bahnhofs von Perpignan

      So, der neue Südfrankreich-Krimi ist fertig, verfügbar bei Amazon als Paperback und E-Book: Mord in Uzès. Und etliche von euch haben ihn auch schon gekauft ... super!!!
 
 
       Aber für eine Autorin gibt es kein „nach dem Krimi“, sondern immer nur „vor oder während“. Nach dem Krimi ist vor dem Krimi. Wenn einer raus ist, muss gleich der nächste drankommen. Das macht das Leben spannender.
 
 
       Jetzt stellt sich nur die Frage, wo er spielen soll. Und beim Nachdenken fallen mir all die Anekdoten ein, die ich über südfranzösische Orte kenne. Dabei kommt mir die Lust, euch an meinen Erinnerungen teilnehmen zu lassen.
 
 
 
 
 
 
       Und da denke ich doch prompt an die Geschichte über den Bahnhof von Perpignan. Nur sehr wenige kennen sie. Eigentlich nur die Leute, die damals mit Radio France Roussillon − heute Radio bleu − gearbeitet haben ... und da auch nur die, die einer gewissen Rundfunksprecherin nahestanden.
 
 
       Nennen wir sie mal Julie: eine sehr sympathische Dame, die ihrem Job mit Begeisterung und vollem Einsatz nachging. Leider war sie Pariserin, was bedeutete, dass sie die Gegend um Perpignan nicht so gut kannte. Aber das machte nichts − sie informierte sich, wo sie nur konnte, und ihr Enthusiasmus ersetzte das lokale Wissen, das man sich in der Regel während der Schulzeit aneignete. ... oder sich aneignen sollte.
 
 
       Eines Tages stieß Julie auf die wunderschöne und dazu noch wahre Anekdote von Salvador Dali und dem Bahnhof von Perpignan, einer Stadt, die er liebte. So soll Dali im Jahre 1963 zufällig an diesem Bahnhof vorbeigekommen sein. Es handelte sich natürlich noch nicht um das pompöse neue Gebäude, das wir heute kennen, sondern um die unscheinbare, aber wunderschöne alte Konstruktion. Und plötzlich hatte er ein sehr spezielles Gefühl.
 
 
       Auf einmal wusste er nämlich ganz genau, wie das Universum ausschaut. Er empfand, wie er sagte, „une extase cosmogonique“, eine kosmogonische Ekstase. In diesem Augenblick hatte die Bildung unseres Universums keine Geheimnisse mehr für ihn.
 
 
       Und, tief in seine Gedanken versunken, taufte er diesen wundersamen Ort das „Zentrum des Universums“.
 
 
       Zwei Jahre später machte er seine berühmte Pilgerfahrt zum Bahnhof von Perpignan oder, genauer gesagt, zum Zentrum des Universums. Dabei blieb er seinem Ruf als Mann der übertreibungen getreu: Natürlich kam es für ihn nicht infrage, den Bahnhof mit einem Bus oder gar zu Fuß anzusteuern − nein, es musste eine Kutsche sein. Und er selbst trat in seinem geliebten Kostüm als grand amiral, Großadmiral, auf. Seine Frau Gala war natürlich auch dabei. Und „ganz Perpignan“ stand Spalier ...
 
 
       Auf dieser „Reise“ erklärte er den Bahnhof von Perpignan feierlich und ganz offiziell zum Zentrum des Universums. Seine surrealistische Logik ging davon aus, dass dieses Zentrum nicht nur die Mitte von irgendetwas sei, sondern der „absolute“ Ort. Der Bahnhof war für ihn also Zentrum und Universum auf einmal. Alles vereint in einem einzigen Punkt. Und in seiner Philosophie beinhaltet „alles“ auch sein Gegenteil, nämlich „nichts“. So war dieser Bahnhof also ein Zentrum, das Universum an sich und ... Symbol des Nichts und der Nichtigkeit.
 
 
       So viel zu dieser hübschen − und wahren − Geschichte. Wir können nicht sicher sein, dass alle Bewohner von Perpignan Dalis komplizierte Philosophie verstanden. Doch ihr Bahnhof blieb für sie das „Zentrum des Universums“.
 
 
       Und so wurde es auch den Kindern in der Schule gelehrt.
 
 
       Alles war bestens: Dali hatte seine Show und die Perpignanais ihren plötzlich berühmt gewordenen Bahnhof ...
 
 
       ... bis Julie auftauchte. Ihr gefiel diese Geschichte natürlich, und sie beeilte sich, sie in eine ihrer Sendungen einzubauen. Allerdings war sie an diesem Tag nicht in ihrer besten Form: Vielleicht war sie müde oder auch nervös − jedenfalls verwechselte sie „Universum“ mit „Welt“, und der Bahnhof wurde zum „Zentrum der Welt“. Das brachte ihr natürlich Schelte von ihrem Chef und Gelächter von ihren Kollegen ein.
 
 
       Aber was geschehen war, war geschehen.
 
 
       An sich ist ein solcher Irrtum ja nicht schlimm, das kann jedem passieren. Doch etliche ihrer Zuhörer kannten die Anekdote wohl auch nicht so genau und nahmen das „Wort“ des Radios für Wissenschaft. Denn schon kurz danach tauchte der Ausdruck „Zentrum der Welt“ in der Zeitung auf. Und dann in einem und noch einem und immer mehr Büchern.
 
 
       Bis die Stadtväter eines Tages entschieden, einen neuen Bahnhof zu bauen. Und der sollte natürlich dem berühmt-berüchtigten Künstler gewidmet werden.
 
 
       Zuerst gründete man einen Verein: die Freunde des Zentrums der Welt.
 
 
 
 
 
 
       Vermutlich wurde der Name dieses Vereins auch von einem Pariser „Zugezogenen“ erfunden. Oder von jemandem, der in der Schule nicht aufgepasst hatte − aber gern Radio hörte.
 
 
       Und als der Bahnhof schließlich stand und feierlich eingeweiht wurde, nannte man ihn ... „Das Zentrum der Welt“.
 
 
       Nicht ganz getreu nach Dali, aber nach Julie, der Radiosprecherin. Doch die arbeitet inzwischen bei einem anderen Radio. Die Perpignanais haben sie natürlich längst vergessen − ihr Irrtum wurde dagegen Geschichte. Und so wurde ein Zentrum des Universums zum Zentrum eines kleinen, unscheinbaren Planeten irgendwo in diesem unermesslichen Universum ...
 
 
 
 
 
 
       Was meint ihr, sind Perpignan, sein Bahnhof und Julies „Patzer“ wohl einen Krimi wert?
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